Freitag, 4. Dezember 2009

Websiten für Steintafeln

Ich belege ja derzeit unter anderem das Ewi-Seminar "Einsatz von digitalen Medien in Lehr- und Lernprozessen" (oder wie das Ding nun auch richtig heißt...). Ziel wird die Erstellung einer Website sein, deren Inhalt die Begutachtung eines Lernprogrammes ist.
Der Ablauf dieses Faches sieht aktuell folgendermaßen aus: Uralt-Mathe-Spiele zocken und HTML für Anfänger. Ich sag euch: OMFG!


Der (wirklich total nette, aber alte) Professor hat sich also zum Ziel gemacht, die nicht technikaffinen Ewis zu "Internetfreaks" zu machen *hüstel*. Ging also letzte Woche los mit dem Lernen von HTML zur Erstellung des Endprojektes. Was tut er? Packt Dreamweaver aus. Version 4. NEEEEIIIIIN.
Dieser Editor ist vermutlich noch älter als der Märchenonkel vorne und produziert entsprechend aktuellen Code (...exakt 9 Jahre seit Erscheinung...).
Und dann komme ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus.

Er benutzt das Teil als Texteditor, zeigt nicht ein einziges Mal Code (außer ganz am Ende, um eine Frage zu beantworten). Und es ist wirklich alles dabei: Quietschbunte Webseiten, aufgebaut
aus vier Frames (Den Terminus "Frame" verkauft er als Dreamweaver-Internen Begriff), rote Schrift auf dunkelblauem Grund ("Das ist schön kontrastreich."), ComicSans MS, überlange Texte, Font-Tags, möglichst invalides XML und zum Schluss wird das Ergebnis im Internet Explorer vorgeführt. Fehlten nur noch animierte GIFs. Aber das kann noch kommen. Immerhin ist er nur zur Textformatierung gekommen. Mit Hyperlinks wollte er erst nächste Woche weiter machen - bloß nicht überfordern :D

(Das Foto ist leider sehr blass, man denke sich lauter knallige Farben!)

Ich fragte ihn hinterher, ob er böse sei, wenn ich den Dreamweaver verweigern würde. Und was er tun würde, wenn ich mit CSS und JavaScript kommen würde, oder ob ich gar einen Server gestellt bekäme, der PHP und PostgreSQL unterstützen würde - nur für den Fall der Fälle :)
Er wurde leicht blass, aber solange es auf seinem Rec
hner laufen würde, wäre das kein Problem... Hm, dann fällt wohl serverseitige Programmierung weg... Mist.

Ich kann mir auch überhaupt nicht erklären, warum ich der Buh-Mensch im Kurs bin ;) *räusper* Da kamen echt schon Anfragen, ob ich anders bewertet werden würde, als der Rest. Naja, nur meine Gruppenmitstreiterin ist wenigstens guter Dinge: "Klar arbeite ich mit dem Informatiker zusammen!" :D

Aber mal im Ernst. Ich verstehe es schlicht nicht, wie man vor zehn Jahren veraltetes Wissen vermitteln und als Non-Plus-Ultra hinstellen kann. Ich meine, mal angenommen, die Studis gehen dahin, um wirklich etwas zu lernen. Dann gehen die aus dem Kurs und glauben sonst was gelernt zu haben. Vielleicht geben die das sogar mal weiter - bei Erziehungswissenschaftlern vielleicht nicht unwahrscheinlich. Außerdem geht man doch als Student davon aus, dass man, wenn man die Uni verlässt, einigermaßen auf Höhe der aktuellen Wissenschaft ist.
Ich finde ja Medienkompentenz extrem wichtig, halte es im Gegensatz aber für brandgefährlich, mit derartigem Nichtwissen ausgestattet zu werden. Und dabei ist es definitiv kein Problem, nachsteinzeitliches HTML zu vermitteln. Klar kann man dann nicht 80min Kinderspielchen zocken, aber dafür ist das ein universitäres (ja, sogar in der FU bei Gesellschaftswissenschaften elitäres) Hochschulstudium. Da ist es nicht zu viel verlangt, wenn ein Seminar auch zu aktuellem Wissen führt. Versteht mich nicht falsch: Ich rede nicht davon, die Ewis zu Website-Spezialisten auszubilden - dafür gibt es solche wie mich. Ich rede vom Aufbau simpler Homepages nach heutigem Stand des Technik. Ich rede davon, auch mal andere Browser zu zeigen. Ich rede davon, einen Einblick zu vermitteln, wie simpler Code aussieht und eben nicht auf dem Textverarbeitungslevel zu bleiben, das sogar jedes MS Word leicht übertrumpft. Zumindest wenn der Kurs sich das auf die Fahne geschrieben hat.

Reading:
Cormen & Co. - Algorithmen - Eine Einführung
("Eine Einführung" ist lustig bei 1300 Seiten, Schriftgröße megaklein, pure Theorie *gg*)

6 Kommentare:

sman hat gesagt…

Mark, es ist Zeit!
Geh da raus und setz dich mal ein für die Welt. Das könnte schon damit anfangen, dass du dem Professor anbietest, die zwei drei Stunden HTML-Kurs selbst zu leiten. Dann tust du den EDV-fernen Mitstudenten und vielleicht sogar dem Professor der zuhört einen großen Gefallen, stellst ihnen die Welt der Browser ein bisschen vor und schreibst mit ihnen kleine valide Websites mit einem schnuckeligen Editor. Und das alles mit soviel Sahnehäupchen verpackt, das gar keiner merkt dass das jetzt besonders viel Informatikkram ist. Jeder Mensch und gerade Studentengruppe die du da um dich hast, nimmt das alles freudig entgegen, wenn er merkt dass er selbst etwas schönes produzieren kann mit wenig Aufwand.

Mach mal was sinnvolles, mach mal einen Vortrag der sich tatsächlich lohnt.

Viel Erfolg :)

S-Man hat gesagt…

Schöne Idee, hab ich auch schon mehrmals überlegt. Aber habe ich schon mal erwähnt, dass ich mich so schon unbeliebt gemacht habe (bei kritischen Kommentaren, die wohlgemerkt extrem gering ausfielen...)

sman hat gesagt…

Was hat das mit Beliebtmachen zutun?
Und wenn, machst du es dadurch wieder gut. Du glaubst doch nicht, dass die anderen zufrieden damit sind, was sie momentan bei dem Pro f lernen.

S-Man hat gesagt…

Wenn ich ehrlich bin: Doch. Oder sie wissen es halt nicht besser. Aber den meisten geht es um die Punkte, nicht um den Inhalt. Hauptsache mit wenig Aufwand so gut wie möglich bestehen.

sman hat gesagt…

Das schließt sich ja auch nicht aus! Aufwand wird immer weniger, wenn man versteht worum es geht, und zusätzlich bekommen sie bei dir noch etwas Spaß. Jeder ist froh wenn er merkt dass er was brauchbares lernt, gerade Studenten. Dass ihnen egal ist was da vorne am Pult passiert ist eine Illusion.
Da hast du schon die Möglichkeit etwas zu ändern, und packst es nicht an -.-

Phosphor hat gesagt…

*LOL*
Jaja... Medienkompetenz ist schon was feines...