Sonntag, 1. Juni 2008

Abiturientens Traumvorstellungen vom Leben

Am WE fand das alljährlich und stets beliebte Spiel "Betreuerschulung und Sommervorbereitung" statt. Nun ja, fürs Stammpersonal ist es eigentlich nur ein "Wir wollen uns vorstellen und die Neuen kennen lernen".

Als ich eintraf, erwartete mich eine Runde von - über den Daumen gepeilt - 10 neuen Betreuerinnen und einem Kerl. Fast alles frische Abiturientinnen.
OK, also am Samstag den ganzen Rechts-/ Was-tue-ich-wenn-/ Wie-verläuft-ein-typischer-Tag- Kram durchgezogen. Die ersten Zweifel waren in den Gesichtern zu erkennen.

Nach dem Abendbrot der Hammer: Der Großteil der Mädels haben sich zusammen gesetzt, getuschelt und dabei kam raus:
"Wir kriegen hier zu wenig Geld! Da kann ich ja auch zu Kaufland Regale einsortieren gehen. Und bin dann Abends noch zu hause. Wir haben hier mit etwas unter 50 Euro am Tag gerechnet."
Der Versuch, die Kinnlade wieder unter Kontrolle zu bekommen, scheiterte in einem Anflug von froschähnlichen Hüpfbewegungen, da mein Hirn zu sehr mit dieser Muskelbewegung beschäftigt war, um den Rest zu manövrieren.


Tatsächlich stand irgendwo als nicht ganz Ernst zu nehmender Hinweis im Sinne von "50€ am Tag können wir nicht bieten, dafür...". Der rührte aus einem Fall, wo das eine Bewerberin tatsächlich verlangt hatte und war eher lustig gemeint. Abgesehen ist das völlig unrealistisch. Wir zahlen eine Aufwandsentschädigung von 50€/WOCHE. Dazu Kost und Logie, Sonnenbrand, Lachflashes, Erfahrung und jede Menge Kiddies. Und das ist auch das, was man hier in der Gegend für eine derartige Tätigkeit so prinzipiell bekommt. 50€/Tag? Für Spiel und Spaß und ohne Ausbildung? Den Job würde ich auch nehmen...

Wenn man Ferienlager zum Geld verdienen verwenden will, läuft auf jeden Fall etwas falsch. Nicht das Geld ist es, was zählt, sondern der Spaß an der Arbeit mit Kindern. Wer nur aufs Geld aus ist, ist ohne Leidenschaft dabei und "sitzt" nur die Zeit ab. Das merken die Kinder, das zerstört das Team und das merken noch mehr Kinder. Klarer Fall von Isnich.

OK, wir waren also offiziell gefickt. Übrig geblieben wären nur das Stammpersonal, welches aus vllt 7 Leuten besteht, die sich aber auch noch über 6 Wochen verteilen. Und das bei 80 Kindern die Woche! Nicht machbar. Also Kriegsrat.
Dieser hat ergeben, dass es Rädelsführerinnen gab und einige andere eigentlich nur mit aufgestachelt haben. Dazu zählte ein Mädel, welches sich mit folgenden Aussagen bei mir bereits unbeliebt gemacht hatte:

  • "Ich brauche aber mindestens eine Stunde täglich um mit meiner Mutter zu telefonieren. Sonst muss ich weinen. Ich war noch nie länger als zwei Tage von ihr getrennt." (Anm.: Abiturient!)
  • "Wie? Das ist ein 24h-Job? Ich dachte, wir hätten hier auch Freizeit." (Anm.: Jaaa, klar. Und in der Zeit verwandeln wir die Kinder zu Stein!)
  • "Bekomme ich regelmäßig meine 7-8h Schlaf?" (Anm.: MUAHARHARHAR)

Am Ende des Tages fehlten uns dann nur noch 3 Betreuerinnen, die wir ersetzen müssen. Der Rest schien diesen Unsinn doch einzusehen und meldeten sich nach und nach zögernd zurück und blieben auch nach der obligatorischen Frage "Machst du das auch ohne Fresse-ziehen?" dabei.

Im Ernst? Ich bin verdammt gespannt auf den Sommer. Hoffentlich machen die das wirklich der Kinder wegen...

PS: Das Wörtchen "wir" ist an den richtigen Stellen durch "das Stammpersonal", "die Betreuer", "die Organisation" oder "Cheffe" zu ersetzen.

6 Kommentare:

Bonnie hat gesagt…

Oh Mann, du hast da wohl die seltsamsten Mädels bekommen.
Die waren wohl selbst nie auf so einer Freizeit gewesen, sonst wären solche Fragen nicht gestellt und solche (Gehalts-)Vorstellungen nicht aufgebaut worden.
Ich war drei Mal im Ferienlager (ohne Flöte ...) und weiß wie das so abgeht.

Anonym hat gesagt…

ich möchte freundlichst darauf hinweisen, dass s-man in seinen ausführungen (durchaus verständlicherweise) etwas über die stränge geschlagen hat. der bericht könnte vermuten lassen, dass die mädels schlicht und ausschließlich des GELDES wegen betreuer werden wollten. das ist natürlich eine radikale verfälschung. ich glaube mich genau zu erinnern, dass mindestens zwei von ihnen als einen ihrer hauptbeweggründe angaben, dass sie eine referenz brauchen. (lasst uns für die kinder hoffen, dass sie sich wenigstens ihre referenzbezogenen zukunftsvorstellungen haben ausreden lassen!)

Anonym hat gesagt…

was? der text ist doch realistisch geschrieben zum. bei denen die ausgestiegen sind und uns zu unnützen arbeiten veranlasst haben wie z.b. der neusuche von gutem personal welches nicht wegen des geldes kinder ärgert.

nee zottel, schönes feedback zum wochenende, setzen 1.

ich geh jetzt 7 bis 8 stunden schlafen und davor ne stunde mit meiner ersatzmama telefonieren, von der bin ich nie länger getrennt als 2 monate...

Anonym hat gesagt…

P.S. um missverständnisse auszuräumen, bevor sie entstehen: ich bin keineswegs der ansicht, dass referenzgierde ein ferienlager-tauglicherer grund als geldgierde ist. das war ironisch gemeint. wie s-man so richtig schreibt (und wie jeder vernünftige mensch weiß), sollte der hauptgrund für eine betreuertätigkeit IMMER der spaß an der arbeit mit kindern sein. ansonsten kotzt es einen selbst, de kids und das team an.
in diesem sinne schließe ich mich deiner gespanntheit auf den sommer an, s-man. und (bis auf die eine verfälschung versteht sich) treffende zusammenfassung!

Anonym hat gesagt…

hm. das ps war zu spät.

Anonym hat gesagt…

papa schlumpf traut dem neuling frieden noch nicht so richtig (schnief)