Donnerstag, 20. November 2008

Datenschutz-Bewusstsein in der IT

Ich belege derzeitig den Kurs "User Interface". Es geht quasi darum, ein Verständnis dafür zu bekommen, wie man ein Gerät/Programm so gestaltet, dass jeder mögliche Benutzer das Teil möglichst intuitiv bedienen kann. Als Beispiel soll während der Veranstaltung ein Gerät entwickelt werden, nicht größer als 1-2" mit Backface-Touchscreen (Touchscreensteuerung, nur von hinten, damit die Finger nicht den Bildschirm verdecken).
In Phase 1 sollten Vorschläge eingereicht werden, was das für ein Gerät sein könnte, um diese in Phase 2 innerhalb von 60sec vorzustellen.

Es ist erschreckend, wie viele potentielle IT-Spezialisten Entwürfe hatten, die quasi an alle Welt sämtliche ihrer Daten schicken würden. Mehrere Präsentationen beinhalteten einen "Friend Finder" - es war heftig:
Da wollten Leute doch tatsächlich ein Gerät mit sich rumschleppen, mit dem man quasi ad-hoc via GPS herausfinden kann, wo man sich befindet - und das nicht zur persönlichen Sicherung bei Extrem-Wanderungen auf dem Gletscher, sondern zum Orten von Leuten in der Stadt oder Disco. Schäuble lässt grüßen.

Zu Zeiten von Überwachungsstaaterei und missbrauchter Kundendaten möchte man doch meinen, dass sich dafür eine gewisse Sensibilität herausgebildet haben muss - vor allem unter "Fachleuten". Wenn die Vorschläge von Psychologen oder Soziologen gekommen wären, wäre das ja irgendwie noch was anderes. Aber einem Saal voll Geeks, die wahrscheinlich zuhause nichts anderes machen, als die Blogoshäre abzugrasen, hätte ich das nicht zugetraut.

Einer wollte sogar Online-Banking mit diesen Dingern betreiben. Ein anderer kam mit dem grandiosen Vorschlag, alle Karten in der Brieftasche zu einer globalen zusammen zu fassen. Hallo? Geht's noch? Social-Networking-To-Go gab es genauso wie Password-Holder. Klar, natürlich gab es auch immer wieder Anflüge von Sicherheitsbewusstsein. Aber hey, wir haben ja ein Touchscreen! Können wir ja Passwörter sparen und gleich den Fingerabdruck scannen lassen. Ist ja super sicher und kann gar nicht gefälscht werden... *räusper*.

Um das mal eben zusammen zu fassen und kurz in die Zukunft zu schauen: Ein jeder hat eine eGesundheitsCard in der Tasche, wo sämtliche Gesundheitsdaten gespeichert werden, dann die Kredit- und ecKarten, dazu eReisepass und Personalausweis mit biometrischen Daten, wie Fingerabdrücke, Bertelsmannmitgliedskarten, Flugmeilen-Sammlerteile, Payback-Karten sowie Führerschein und Fahrzeugpapiere. Dazu natürlich noch den FriendFinder, um auch noch die letzten fehlenden Informationen hinzuzufügen: die aktuelle Position, sowie die Datenbank sämtlicher Freunde und Hobbies (mit
WWAN-iNet-Anbindungen, um alles gleich abgleichen zu können, falls man neue (Geschäfts)Kontakte hat). Und das alles gesichert durch einen lumpigen Fingerprint (der interessanter Weise auch in der Abteilung "biometrische Daten" gespeichert ist!)!
Ehrlich, ein Schäuble oder Wiefelspütz würden Orgien feiern, wenn sie wüssten, was da an neuer IT-Elite heranwächst.


Und das Allerschlimmste an der Sache war, dass all jene Leute auch noch einen riesigen Beifall ernteten. Einige Leute habe ich bei der vergangenen Großdemo gesehen. Irgendwie scheint die Thematik nicht an ihnen vorbei gegangen zu sein. Dennoch hat sich scheinbar kaum einer den Kopf zerbrochen, was passiert, wenn jeder per GPS ortbar wäre oder alle Bankdaten ungesichert durch die Luft fliegen (weil sich ein Otto-Normalverbraucher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mit langen Passphrases oder gar diversen Verschlüsselungstechniken herumschlagen wird).

Dann kommt noch hinzu, dass die 5 "besten" Vorschläge noch bearbeitet werden sollen. Mal schauen, ob ich den Kurs dann verlasse - wegen ethischen und moralischen Konflikten.

Liebe HPI-Studenten: Bitte denkt mal darüber nach, was ihr heraufbeschwört, wenn ihr in 5 Minuten einen "Geistesblitz" habt und ihn zur Schau stellt. Es kann unter Umständen das Leben diverser Leute erheblich verschlechtern!

Listening To:
Farin Urlaub Racing Team - Die Wahrheit übers Lügen

2 Kommentare:

Phosphor hat gesagt…

Erinnert mich an Globalisierungsgegner, die bei McDonalds essen gehen und Vegetarierinnen, die beherzt in die Gummibärchentüte greifen.
Was hast du eigentlich vorgestellt?
Ein Datenabhorschschutzgerät? :)
Uh ich weiß es! Ein tolles Geocaching-Gerät, dass einem anzeigt wo sich ein Geocache befindet und zeitgleich Zugang zu Online- Lexikas ermöglicht um die beigefügten Rätsel zu lösen.

S-Man hat gesagt…

Datenabhörschutzgerät? Tolle Idee, aber
a) War ich bei den Plänen noch der Meinung, dass man die IT-Branche nicht dafür sensibilisieren muss und
b) hab ich keine Ahnung, wie sich das realisieren ließe ;)

Geocaching auch nicht. Ich glaube nicht, dass ich auf 1-2" ein Lexikon lesen will... Es traf dass andere Hobby:
Kleine Displays in Frisbeescheiben integriert... Als Scoreboard, Timer, oder auch Wurfzähler beim Discgolf, Nightglow-Umschalter und Trainingshilfe...