Donnerstag, 12. März 2009

Mir geht ein Licht auf

Der folgende Beitrag wird ziemlich Geek-ig anmuten. Dennoch bemühe ich mich um ein hohes Maß an Verständlichkeit. Da dies ein Thema ist, was viele Leute zum Nachdenken anregen soll, bitte ich ausnahmsweise darum, auch wenn es oberflächlich uninteressant erscheinen mag, sich die folgenden Zeilen durchzulesen - ablehnen kann man es immer noch :) Danke.

So, nachdem ich vor gut einem Jahr rumgetönt hatte, dass ich mal wirklich auf Jabber umsteigen würde, ist es seit gestern vollbracht. Den entscheidenen Anstoß gab gestern eine Mail von TK aus dem sonnigen Kalifornien.


Doch wovon rede ich hier eigentlich?
Jabber ist ein Protokoll für Instant- Messaging. Also eine Alternative zu dem herkömmlichen ICQ. Und dabei geht es nicht um das reine Programm, wo man fleißig reintippt, sondern es geht um die Übertragungsart der Nachrichten und Dateien. Dass ich von dem eigentlichen Programm (Client) lange weg bin, ist kein Geheimnis. Für Windows-User empfehle ich nach wie vor Miranda. Nein, hier rede ich nicht von dem Telefon, sondern von der Telefonleitung, wenn man so will. Bislang hatte ich (wenn auch mit einem anderen "Telefon", dem Miranda) noch über die "Telefonleitung"/Protokoll ICQ gechattet. Andere bekannte Protokolle sind zB. MSN oder Yahoo!-Messaging (YIM). Ich bin nun auf ein freies OpenSource-Protokoll umgestiegen. Es hat den wohlklingenden Namen Jabber. Und da Miranda ein Multi-Protokoll-fähiges Programm ist, kann ich das auch für Jabber weiter benutzen :)


Was ist an ICQ verkehrt?
Nun, am verkehrtesten ist der folgende Teil der Nutzungsbestimmung:

You agree that by posting any material or information anywhere on the ICQ Services and Information you surrender your copyright and any other proprietary right in the posted material or information. You further agree that ICQ LLC. is entitled to use at its own discretion any of the posted material or information in any manner it deems fit, including, but not limited to, publishing the material or distributing it.

Kurz gesagt, übergibt man ICQ - und damit der Firma AOL, denn ihr gehört ICQ - sämtliche Rechte an den verschickten Nachrichten und sogar den Dateien! Hat man ein Bild gestaltet und will es rumzeigen, gehört es plötzlich AOL. Hat man eine tolle Geschäftsidee - schwupps - gehören AOL die Rechte daran. Und natürlich behält sich AOL das Recht vor (und wird es sicher nutzen), sämtliche Gespräche zu speichern - und diese sogar zu durchleuchten und ggf. der Justiz auszuhändigen.
Das kann man ein wenig einschränken, indem man seine Nachrichten verschlüsselt, also mit Passwörtern und speziellen Verfahren codiert. So werden auf den Servern keine Klartext-Nachrichten gespeichert, sondern nur scheinbar sinnlose Buchstabenketten. Eine Möglichkeit wäre zB. OTR ("Off-The-Record")-Verschlüsselung. Das müssen natürlich dann auch beide Seiten unterstützen, sonst wird das nichts.

Jabber hingegen ist ein Protokoll, was dezentral agiert. Das heißt im Groben, dass das Verschicken über mehrere Server läuft und sogar jeder, der will, sich einen eigenen Jabber-Server einrichten kann. Das hat natürlich deutliche Stabilitätsvorteile: Wenn ein Server abstützt, fängt das ein anderer ab. Der Chaos Computer Club (CCC) unterhält beispielsweise den Server "jabber.ccc.de". Der CCC ist bekannt für seine Aktionen zur Aufklärung über den Datenschutz und für seinen Einsatz für die Privatsphäre der Bürger und ist von meinem Standpunkt aus sehr vertrauenswürdig.
ICQ hingegen wird nur zentral auf den AOL Servern gehalten. Doch ein weiterer Vorteil der Dezentralisierung ist die Unmöglichkeit der gezielten Speicherung von Daten. Das wird zusätzlich von dem OpenSource-Ansatz unterstützt, bei dem sich viele unabhängige Entwickler den Code anschauen und so schon frühzeitig Alarm schlagen, falls was schief läuft.


Und als dritten Punkt möchte ich anführen, dass sich eine eMail-ähnliche Jabber-ID viel besser merken lässt als eine ICQ-Nummer :)
Eine Einrichtung einer JID ist sehr einfach und kommt ohne Formulare und meist ohne eMail-Bestätigungen aus. Oft reicht einfach das Eingeben seines Wunschnamens und seines Wunschservers und - sofern noch nicht vergeben - ist die darauffolgende Passworteingabe auch die Wahl des Passworts. Fertig.

Für weitere Punkte, kann man sich diese Seite anschauen: Klick.


Doch was ist mit den bisherigen ICQ-Kontakten?
Auch dafür gibt es eine Lösung. Sie nennt sich Jabber-Transport. Diese Transports machen es möglich, von einem Jabber-Account auch seine ICQ-, MSN- oder was-auch-immer-Kontakte zu nutzen. Der Transport ist dabei so eine Art Dolmetscher. Dem sagt man seine ICQ-Login-Daten und der übersetzt dann hin und her - eine Art "Messaging"-Weiterleitung (ähnlich wie eMail), wenn man so will. Natürlich ist das leicht geschummelt und man ist nicht wirklich weg von ICQ. Doch es ist immerhin schon ein Anfang, sich bei nur einem Protokoll einzuwählen - solange bis man alle ICQler überzeugt hat :)


Braucht man mit Jabber nicht mehr zu verschlüsseln?
Im eigenen Interesse an seinen Daten sollte man das auch hier tun. Denn Datenaustausche können auf vielerlei Wegen abgefangen und mitbelauscht werden. Auch hier würde OTR greifen.


So, ich hoffe, mein kleiner Ausflug konnte einige von euch zum Nachdenken anregen. Und danke fürs Lesen.

Nach TKs Aufruf zum Wechsel aufgrund von wiederholten Serverproblemen sprangen nun einige Leute auf den Jabber-Zug auf. Ich hatte lange einen Account zu laufen, doch mit nur einem Kontakt. Das erschien mir lange sinnlos, doch dank guter Werbung von TK und tatkräftiger Unterstützung von Fs Wohnzimmer (Merci beaucoup!) laufen nun die Transports und ich konnte ICQ nun halb über Bord werfen. Gestern noch schnell Miranda angepasst, bei der Gelegenheit mal die alte Kontaktliste ausgemistet und kleine Jabber-Icons gemalt und schon läuft wieder alles :)
Watching:
Penelope Spheeris - Wayne's World

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Was man auch noch erwähnen kann: Jeder, der einen GMX/WEB/GMail Account hat, hat auch einen Jabber Account...