Freitag, 10. Juli 2009

Nächtliche Recherche

Es begann gegen 21:00h. *klopfklopf* Gott sei Dank, hatte ich grade keine Musik am Laufen, sonst wäre mir diese bescheidene Lautäußerung entgangen. *klopfklopf* Ich habe den Besucher schonmal im Treppenhaus gesehen, als Gast des Typen, der unter mir wohnt.
"Hallo, du mir helfen? Ich brauchen Staubsauger." Im Nachhinein - also quasi jetzt - bin ich verwundert, dass er das Wort "Staubsauger" kennt.
"Klar, kein Problem."
22:30h: *klopfklopf* "Danke. Du haben Zeit? Ich dir kochen Kaffee zum Dank.", "Ja, klar, Moment." Er fragte noch nach meinem Namen, er sagte mir wohl seinen. Ich habs nicht verstanden.

So saß ich nun in der Küche von dem Kunden, der zur Zeit wohl unter mir wohnt. Oder die Wohnung dessen hütet, der unter mir wohnt. Oder mit dem Typen, der unter mir wohnt, zusammen wohnt. Oder so. Ich habs nicht verstanden. Überhaupt verstand ich nur sehr wenig von dem, was er mir die ganze Zeit total enthusiastisch versuchte mitzuteilen. Sein Lieblingssatz scheint jedoch zu sein "Wo ist Problem?". Er kommt wohl aus Tunesien, ist dadurch französischer Muttersprachler und ihm geht die deutsche Sprache so überhaupt nicht in den Kopf. Kommt mir bekannt vor. Andersrum.
Die Geschichte, wie es der gläubige Moslem und damit Schweinefleischverweigerer vom Tellerwäscher zum Chefkoch eines griechischen Restaurants brachte, wo hauptsächlich Schwein verarbeitet wird, ist interessant, habe ich zur Hälfte verstanden und find ich lustig.
Es ist mittlerweile 23:00h, ich habe mir den zweiten Ja!-Instantkaffee reinprügeln lassen - irgendwie schien er jede Ablehnung zu ignorieren oder als Beleidigung aufzufassen... Naja, was solls, den Mund kann man später ja auch ausspülen. Dann kam die Frage: "Du kennen aus mit Internet?" Joah... So ein wenig, ne? Und dann erzählt er mir irgendwas über Skandinavien und Norwegen - für ihn schien das das Gleiche zu sein. Oder auch nicht. Ich habs nicht verstanden. Jedenfalls holt er plötzlich einen Stift und einen Zettel und malt mir ein paar Sterne auf - fragte vorher nach, was das denn auf deutsch hieße -, sagt immer wieder irgendwas völlig Unverständliches, was wohl norwegisch sein sollte (irgendwie war er mal da und hat es "perfekt" gelernt...) und faselt irgendwas von Umzugsfirma. Irgendwann geht mir ein Licht auf und erkenne, dass diese Sterne wohl der Name einer solchen mit Sitz in Oslo sein soll. Er bestätigt, "7*******" ist der Name einer Umzugsfirma mit Sitz in Oslo. Er wisse auch noch die Telefonnummer, nur leider die letzten drei Ziffern nicht mehr. Ach und der Inhaber hörte wohl auf den Namen Christian. "Du mir helfen?" Kein Problem, nur sah ich mich in seiner (in seiner?) von meinem Staubsauger sauber geleckten Wohnung um, erinnerte mich an den Anblick meiner, wo ich es tags zuvor um Mitternacht grade mal geschafft hatte, die Küche einigermaßen aufzuräumen. Nach einigem versichern, es würde ihm nichts machen, und dem Kochen eines grünen Tees nach original tunesischer Art - in Tunesien braucht man wohl viel Zeit und Geduld um an Tee zu kommen, das war ja echt eine Kunst für sich, das Zubereiten - ging die Suche also bei mir los.

Ich fasse zusammen: Wir suchen nach einer Umzugsfirma aus Oslo mit einer Telefonnummer XXXXXYYY (X für bekannt, Y für das Gegenteil) mit dem Namen 7******* oder etwas, was ich nach wie vor nicht verstand, er aber immer und immer wiederholte. Allerdings tat er sich sehr schwer, hier gebräuchliche Buchstaben zu schreiben, so kamen wir also auch nicht weiter. Ach und das mit dem Christian hatten wir noch. Und warum taten wir das eigentlich? Ich habs nicht verstanden.
OK, also Tante Google rausgekramt und los gings. Hürde eins: Versuche mal, nach etwas wie "7*******" zu suchen. Haha. Erster Fehlschlag. Auch suchen nach dem Block XXXXX führte nicht allzu weit. Immerhin konnten ja Leerzeichen oder Bindestriche oder wer weiß was drin stehen. Hm, ok, also nach einem norwegisch-deutschem Wörterbuch gesucht, und rausgefunden, dass "Umzug" "flytting" heißt, oder zumindest so geschrieben wird. Allerdings führte uns dieses Wissen sogar bei google.no nicht weiter. Versuchte ich es also mal mit der Adresse. Ob er die noch wisse. Nach langem Grübeln sagte er "Westle". Keine Ahnung, ob das nun eine Straße oder ein Stadtviertel oder was auch immer war, ich schlug also OpenStreetMap auf und suchte nach "Westle". Kein Treffer, auch nicht beim großen Bruder GoogleMaps. Es gab Westle-blakeksirgendwas nahe Norwich. Aber das wars auch schon. Ich zeigte ihm also die Karte von Oslo, ob er denn wisse, wo das läge. Die Autobahn 4 war zu sehen, er meint aber, das wäre an der Autobahn 5 nahe Zentrum. Nur, da gab es keine Autobahn 5. Weit und breit nicht. So langsam glaubte ich, er verarscht mich. Es war nun irgendwas gegen 23:30h und irgendwie begann ich mich unwohl zu fühlen. Noch ein Versuch. Mir fiel die Einrichtung "Gelbe Seiten" ein.
Also nach den norwegischen Gelben Seiten gegooglet, Erfolg gehabt und mal "flytting" eingegeben. Da kamen also ein paar Adressen von, ich nehme mal stark an, Umzugsfirmen. Das Ganze konnte man auch schnell um Oslo einkreisen. Doch irgendwie gab es scheinbar auch dort keinen Treffer. Weder auf "Westle", noch auf "Christian", noch auf "XXXXX" in sämtlichen Schreibweisen sprang die Firefox-Suchfunktion an. Nach einem Link zum Blättern der Seiten suchte ich vorerst vergeblich. Nach gefühlten 500 Minuten - in Wahrheit können es nicht mehr als 5 gewesen sein - fand ich dann doch einen Link, der irgendwie wie "alle anzeigen" aussah, wenn man zumindest meine stark verkrüppelten Französischkenntnisse zuhilfe nahm. Zumindest bilde ich mir ein, dass diese halfen. Es klappte und da erschien auch eine Blätter-Funktion. Ist immer strange, wenn man völlig sprachfremde Seiten durchsucht. Der Typ neben mir, dessen Namen ich nach wie vor nicht wusste, schien wohl aus meinen immer lauter werdenen Brummeleien, die ihn im Übrigen ziemlich zu verstören schienen (dabei rede ich immer mit meinen Rechnern, wenn ich dran arbeite...), zu merken, dass ich weiter gekommen war. Und tatsächlich auf Seite sowiesoichweißnichtwieviel sah ich eine passende Telefonnummer, zeigte sie ihm. Er sprang wie von der Biene gestochen auf. "Da, das ist es!", zeigte auf den Namen der Firma, und faselte wieder jenes unverständliche Wort von vorhin. Und tatsächlich schien das Wort Ähnlichkeiten damit zu haben, was da stand, zumindest fing beides irgendwie mit S an. Glaube ich. "Da hab ich gearbeitet!" OK, diese Info war mir neu, oder vielleicht auch nicht und ich habs vorher nur nicht verstanden. Ich klickte also drauf und sah sieben Sterne aufgereiht. Das Logo der Firma. Aaaah. In meinem Hirn klickte es.
Nun galt es nur noch herauszufinden, was er damit eigentlich wollte. Leider schien er ziemlich betrübt ob meiner Verneinung auf die Frage nach einem Drucker. Er fing also an, irgendwas abzuschreiben, gab es nach 5 Minuten und 4 Zeichen auf, reichte mir den Zettel und meinte, ich solle aufschreiben. Es war nicht klar, was eigentlich, ich entschied mich für das, was ich für das Impressum hielt, er schien zufrieden. Er dankte noch und nöcher, versprach mir Spaghetti mit Fisch zu kochen, worauf hin ich erstmal stark intervenierte mit der Versicherung, dass ich jeden noch so gut zubereiteten Fisch garantiert nicht essen würde. OK, er würde Huhn rein tun. Oder Rind. Naja, mal schauen. Im Übrigen konnte ich weder was von Christian, noch was von Westle auf der Internetseite finden. Nun ja, aber falls ihr mal in einen ähnlichen nächtlichen Genuss kommen solltet: "Gelbe Seiten helfen immer" war doch mal der Wahlspruch, oder? Tja, das gilt auch für Norwegen.

Bleibt eigentlich nur noch zu klären: Wer zur Hölle ist der Typ eigentlich und was macht er in der Wohnung unter mir (und warum stehen nie junge, hübsche Damen des Nachts vor meiner Tür)? Bestimmt hat er mir das gesagt. Ich habs nicht verstanden. Auf jeden Fall konnte ich ihm den Briefkastendienst für meine Ferienlagerzeit aufschwatzen. Toll, so eine Nachbarschaft.
Außerdem bleibt zu klären, was zur Hölle mich geritten hat, mir so spät noch zwei Kaffee und einen grünen Tee aufschwatzen zu lassen und wieso mich das Zeug auf einmal, im Gegensatz zu sonst, tatsächlich wach hält und mich zwingt, die Nacht mit Schreiben von viel zu langen Blogposts zu verschwenden. Naja. Jetzt ist es 5:30h, es ist hell, mein Internet scheint nicht zu gehen, aber das werde ich nachher regeln. Muss ich den Kram hier vorerst offline speichern. Vielleicht habe ich nachher beim Online-Stellen schon tunesisch-griechisch-norwegische Nudeln gegessen. Oder auch nicht. Mal sehen. Gute Nacht.

5 Kommentare:

Nico hat gesagt…

lass mich raten, du hast nichts veratdnen :d

Phosphor hat gesagt…

Geile Story. Ich liebe solche Storys. Und sie ist das geniale Gegenstück zu meinem letzten Post. Du bist ein Musterbeispiel dafür, dass auch Menschen fremdländischer Herkunft getrost auf Hilfe hoffen können.

sman hat gesagt…

Auch wenn man als Computer-Fuzzi in einem Wohnheim voller internationaler Studenten ähnliche Geschehnisse erlebt in den verschiedensten Sprachen, ist das ne sehr lustige Geschichte, da geb ich Morti recht. Und so schön geschrieben... du solltest öfter des nachts literarisch tätig werden :)

Jenny hat gesagt…

Na das nenn ich doch mal hilfsbereitschaft XD

Das geilste find ich ja,
wie ihr beide erstma, für den anderen total unverständliches Zeug, vor euch her brabbelt XD
ich kann mir so richtig das Gesicht von dem Typen vorstellen..
wie er dich anguckt ^^


Und ich könnte schwören:
Wenn er nochmal klopf und Du mit den roten Haaren aufmachst,
bekommst Du entweder einen Eimer Wassen ins Gesicht oder er rennt gaanz schnell weg XDD


Aber eine Frage:

ihr habt bei Dir gesucht, ne?

Das hab ich bei dem Schichtenlesen deines unglaublich spannenden, aber voll langem Post's nicht mehr oben drin.


Aber hey..
Über Technik und Essen
findet man neue Freunde
am schnellsten ;D

Ich hab's ja immer gesagt!

S-Man hat gesagt…

Erst waren wir bei ihm eine Etage tiefer und gesucht haben wir bei mir.