Sonntag, 17. Januar 2010

Ein Konzert, sie alle zu foltern

Madame und ich wollten mal zusammen in ein Konzert gehen. Im Januar standen zwei zur Auswahl: "Excalibur - The Celtic Rock Opera" mit allen möglichen Persönlichkeiten, nicht zuletzt Corvus Corax und Martin Barre von Jethro Tull, sowie "Herr der Ringe - Das Konzert!". Ersteres klang eigentlich mehr nach Quantität statt Qualität und schreckte durch die Massen von Namen unterschiedlichster Genres eher ab. Also fiel die Wahl auf zweiteres. Das Ausrufzeichen im Titel hätte mich aber eher aufhalten sollen.
Als Vorbereitung veranstaltete ich letzte Nacht noch zusammen mit den Ts und Pebeck einen HdR-SpecialExtended-Marathon (hach ja, immer wieder genial, dieses Meisterwerk von Film *schwärm*) und dann sind wir zwei beiden also voller Vorfreude zu 20h ins Tempodrom. Vor fast drei Jahren erlebte ich in der gleichen Location die "The Lord of the Rings Symphony", welche ja unglaublich genial war.

Das erste eigenartige war der Saal: Am Eingang wurde man von drei Rohan-Wimpeln begrüßt, auf der Bühne stand eine Figur, die vielleicht einen Ent darstellen sollte. Dahinter eine Plakatwand mit Christopher Lee alias Saruman auf der linken und dem Ring auf der rechten Seite. Mittig die Überschrift. Mit Ausrufezeichen! Alle Gestaltungselemente wirkten seltsam verloren und waren großteils auch nicht das, was einem so unbedingt als erstes einfällt, wenn man an die Trilogie denkt. Es wirkte ein wenig wie gewollt und nicht gekonnt. Zu Beginn war dann der Saal zu etwa einem Drittel gefüllt, was mich dann doch noch stutzig werden ließ.

Verlassen hätte ich ihn nach dem ersten Satz der Ansage sollen: "Erheben wir uns für die Hymne von Mordor." *WTF-Lampe blink* Was fürn Ding? Was dann kam, glich eher der französischen, als einer düsteren Hymne und hatte mit der Sprache von Mordor oder dem Filmsoundtrack genau gar nichts zu tun.
Danach kam eine Gesangssolistin hereinspaziert, präsentierte uns ihre tolle Stimme mit... Keine Ahnung, war kein Soundtrack. Ich wollte Madame gerade fragen, ob sie auch gehen will, als das Orchester mit "The Prophecy" doch noch eine bekannte Melodie anstimmte.

Unterbrochen von einer Witzfigur in einem Sarumanoutfit, der gern Märchenonkel sein wollte und die Grundstory in einer sehr stark gekürzten Fassung wiedergab. Stark gekürzt, verdreht, hinzugedichtet, Namen falsch ausgesprochen, Orte vertauscht. Immer wieder unterbricht er mit seiner total nervigen, emotionslosen und monotonen Stimme das Orchester, welches mittlerweile den zweiten Titel "Concerning Hobbits" spielte.
Der Märchenonkel, inzwischen lange fertig mit der Vorstellung der Halblinge, näherte sich mit einem Affenzahn der ersten Hobbit-Fluchtstation, dem "Tänzelnden Pony". Kurz gesagt, rannte er der Musik gnadenlos weg, die sich immernoch mit den Vorbereitungen zu Bilbos Geburtstag beschäftigte. Dort angekommen, wollte ich dann mal den Dürüm Döner auskotzen. Der Produzent fand es besonders toll, doch mal eine irisch-folkloristige Feentanz-Step-Einlage zu bringen, die irgendwie kein Ende finden wollte. Auch fanden sich die alten Knacker von Akkordeonisten (?) und Gitarristen total witzig, als sie sich zu den tanzenden Mädels hinbegaben und sie versuchten mit trotteligen Schritten zu bezirzen.

Das Orchester übernahm dann irgendwann mal wieder die Führung und rannte quasi direkt zum letzten Song des ersten Teils. Der Erzähler unterbrach stets und ständig, führte die Geschichte gnadenlos und zu großem Teil falsch weiter, erwähnte Moria in einem halben Satz, die Ringgemeinschaft selbst auch mal kurz, bevor sie sich eine Minute später wieder auflöste. Und wenn der nicht gerade dummschwatzte, tat es eine Videoeinblendung Christopher Lees, der es nicht Leid wurde, zu erzählen, wie toll er die Figur des Sarumans schon als junger Mensch fand und wie wichtig Freundschaft im Leben wäre. Es wurde noch schnell Enya gesungen, wohlgemerkt nicht ganz schlecht, was im Übrigen generell für alles galt, was vom Originalsoundtrack kam - auch wenns zu selten war. Danach noch schnell ein weiteres Thema anspielen, Isengard niederbrennen und Pause.

Nach nicht einmal einer Stunde war die halbe Geschichte erzählt (oder auch nicht...). Davon war lediglich ein Drittel Soundtrack, das zweite Drittel teilten sich zwei endlose Folklore-Stücke und der Rest geht an Neukompositionen, die alle irgendwie nach Celine Dion's "My Heart Will Go On" klangen.

Die zweite Hälfte war noch schneller und noch falscher erzählt, Rohan wurde nicht mit einem Wort erwähnt, Gondor auch nur am Anfang in einem Nebennebensatz, und wurde von einem nicht mehr zu unterbietend lächerlichen Feen-Ausdruckstanz durch die leeren Sitzreihen unterstrichen. Immerhin wurden ein oder zwei Soundtrackstücke mehr gespielt, wenn auch an völlig falschen Stellen. Aber wenigstens verschonten sie uns diesmal mit irischer Folklore.
Nach dem tatsächlich passenden Endstück wurde wieder eine hymnenartige Eigenkomposition geträllert, deren Schluss ich allerdings nicht mehr mitbekam, weil ich den Saal inzwischen verlassen hatte.


Mehr traurig als wütend sind wir dann keine zwei Stunden nach Beginn wieder am S-Bahnhof angekommen. Und das für über 50 Euro! Schlimmer wäre Excalibur sicher nicht gewesen. Verdammte Schweine!
Howard Shore hat so viel Material zu Verfügung gestellt, dass es für zwei Konzerte gereicht hätte. Warum muss man also so eine Blödelnummer abziehen? Ich kann es nicht verstehen. Fakt ist, ich werde nie wieder eine Veranstaltung besuchen, die sich mit einem Ausrufezeichen im Titel bewirbt.

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