Freitag, 22. Oktober 2010

Gerockt


Lauter schöne Menschen. Blitzlichtgewitter. RoterTeppich-Atmosphäre. Ich wurde von einem Polizisten freundlich aber bestimmt gebeten, weiter zu gehen.

Brauchte ich nicht. Ich zückte das Ticket und wurde sofort von einem netten Mitarbeiter durchgewunken. Direkt drüber über den imaginären Teppich, aber bitte möglichst schnell vorbei an all den C-Promis . Zwei Gesichter hatte ich sogar schon mal irgendwo gesehen .oO("Waaah, das ist einer von den Dreisten Drei!" - "Öhm, ja genau *hüstel*"). Dann direkt durchs Portal und drin stand ich. Ich mit meinem Toten-Hosen-Sweatshirt und Winterhose inmitten lauter aufgetakelter Menschen in Ballkleidern und Smokings. Blickfang war ich schon irgendwie. Zumindest bis die beiden hier auftauchten. Mit "Guten Tag, wir machen hier sauber" stolperten sie mir im Klo über den Weg und begleiteten mich irgendwie den Rest des Abends. Während ich mich weiter umsah, dem Gratissekt lieber den Gratis-O-Saft vorzog und mir die Freddie-Statue anschaute, posierten die beiden im Eingangsbereich neben den ganzen Möchtegern-Promis.

Im wie immer sehr schicken Saal des Theater des Westens angelangt erstmal versehentlich auf einen falschen Platz gesetzt, nur um feststellen zu müssen, dass ich in Wahrheit den wohl beschissensten Sitzplatz kaufte, den man überhaupt bekommen kann. Also eines vorweg: Kauft für dieses Musical nicht II. Rang rechts Reihe größer 1. Links ist noch ok, Mitte besser. Ich nehme an, die beste Sicht hat man irgendwo I. Rang Mitte. Ist auch egal.

Der Vorhang war verziert mit einem riesigen Queen-Wappen. Toll. Als dann die Stimme aus dem Hintergrund das gefühlte 10. Mal zur Ruhe aufgerufen hatte und das Blitzlichtgewitter auch nach der hundertsten Ansage nicht eingestellt wurde, erklangen die ersten Klänge der Premiere des Musicals "We Will Rock You". "Innuendo" als Ouvertüre. Geil, Top-Hit am Anfang. Im Prinzip konnte ich schon gehen ;)

Dann folgte ein kleiner Schock. Auf der Bühne wurde "Radio Gaga" performt - mit deutschen Texten. Inbrünstig hoffte ich, dass das nicht so weiter gehen würde. Bitte nicht! Doch diese Sorgen wurden schon im zweiten Titel zerstreut. Mit einem unglaublich energiegeladenen Auftritt stellte sich der Protagonist der Story mit einer sensationellen Version von "I Want To Break Free" dem Publikum vor. Ich war noch nicht überzeugt, immernoch vorsichtig mit positiven Emotionen - den letzten Song im Hinterkopf. Doch je weiter das Musical fortschritt, desto begeisterter wurde ich.

Zur Pause war ich überzeugt. Die Story erscheint zwar die ganze Zeit irgendwie aus den Fingern gesogen und ohne jegliche Tiefe - aber mal im Ernst: Wen interessiert das schon wirklich? Es geht um die Songs - um nichts anderes. Das Tolle an dieser Premiere war vermutlich, dass der Saal zu 98% aus eingefleischten Queen-Fans bestand - oder deren Anhängseln. So wurde jeder Song mitgesungen. Teils leise gesummt, teils wild gegröhlt - wie in dem Fall der wirklich coolen Fans, denen ich im Klo begegnet bin. Sie saßen direkt neben mir. Sie sangen falsch, aber das war egal. Die Stimmung war ausgelassen und die Schauspieler umjubelt. Hat man sich einmal darauf eingelassen und sieht man über die wenigen deutschen Passagen hinweg, macht das Musical großen Spaß. Gerade das ständige Bashing der DSDS-Popkultur, dem der Untergang des Classic Rock angehängt wird, sowie dem Einbau von aktuellen Geschehnissen führte bei der Meute von Rockfans im Publikum zur allgemeinen Erheiterung. So entartete das Musical Stück für Stück zu einer guten Komödie mit noch besserem Soundtrack.

Im zweiten Teil musste ich zwar erst einmal wieder in die richtige Stimmung gebracht werden, aber spätestens bei "Don't Stop Me Now" hielt es mich nicht mehr im Sitz und ich tanzte was das Zeug hielt - immerhin ein Vorteil an beschissenen Plätzen: Man stört niemanden hinter einem ;) Und dann das Finale. Es war furios. Man muss sich einmal ein Theater vorstellen, in gutem alten Stil erbau, zwei Ränge. Und dann das Stampfen der Füße von 1600 Menschen. "We Will Rock You"-Beat durch das ganze Theater. Die Ränge vibrierten. Es folgte eine StandingOvation, 3200 Hände klatschten den Beat weiter. Von meiner bescheidenen Position aus konnte ich das vollstens genießen - ich sah nahezu alle. Unglaublich.

Dann der Abgang. Aus. Vorbei. Es fehlte "Bohemian Rhapsody".

Ein einsamer Schriftzug am Ende der Bühne. "Wollt ihr Bohemian Rhapsody?" Die Sänger gaben noch einmal alles. Und dann kam der Moment, an dem ich dachte, jetzt könnte ich sterben, ich habe alles erlebt: Beim E-Gitarrensolo kam der Meister persönlich auf die Bühne. JA, ich sah Brian May Gitarre spielen! Brian May! WAAAAAAAAH!!!


Ich weiß nicht, ob man das Musical empfehlen kann, wenn man mit Queen nichts anfangen kann. Noch weniger weiß ich, ob man das Musical empfehlen kann, wenn das Publikum zu großen Teilen aus DSDS-Verehrern besteht, die da alle Nase lang verarscht werden. Aber eines weiß ich sicher: Mit einem Saal voller Queen-Fans macht das Musical Spaß ohne Ende - man muss sich nur darauf einlassen!


BRIAN MAY!!! OH MEIN GOTT!!! *kreisch*

1 Kommentar:

Phosphor hat gesagt…

Das mit Brian May nehm ich dir immer noch übel Aber auch ohne war das Musical großartig. In Köln haben ziemlich viele doof geguckt als der Vorhang aufschwang und dann auch die zuvor versteckten Musiker endlich ihren wohlverdienten Tribut bekamen. Und ja, da hat auch jeder mitgesungen. Außer ich. Ich hatte da noch die Weißheitszahnnähte. Die hatten ja schon geblutet als ich wie doof grinsen musste weil im Zug plötzlich ein Clown vor mir saß.


Calfisa