Dienstag, 1. März 2011

Oscar-Review

Vorneweg, bevor ich platze: Eine Sache muss ich unbedingt loswerden; ich habe vorhin einen neuen Top10-Film gesehen. Und damit einen für mich perfekten. Und das sage ich wahrlich nicht häufig. Ich bin immernoch ganz zittrig. Noch zwei Stunden nachher war ich am Durchschnaufen. Was ein Film und das, obwohl ich mich eigentlich geweigert hatte, ihn mir anzuschauen - aus Angst vor einem Mädchenfilm. Und warum war ich doch? Schuld war der gewonnene Oscar.

Gut, der Reihe nach:
Dieses Jahr fand ich die Oscar-Nominierungen verdammt spannend. Deshalb habe ich die Live-Übertragung auch fast durchgehalten... Aber mein Gott, alle 5 Minuten Werbung. Und dann immer die gleiche, das ging einfach zu sehr auf die Nerven. Nun ja, wiedemauchsei.
Es waren sehr gute Filme im Rennen. Sehr gute und sehr unterschiedliche. Inception, Alice im Wunderland, The Social Network, The King's Speech, (sogar) Tron: Legacy, True Grit, Black Swan, The Fighter, 127 Hours und Toy Story 3. Mal von Tron und Alice abgesehen waren sie alle im Rennen um den besten Film des letzten Jahres. Die ersten 5 hatte ich gesehen, auch wenn ich bis auf die kleinen Abschnitte über Inception und Alice nichts berichtet hatte. True Grit hatte ich mir dann gestern und Black Swan heute angesehen.


Inception. Ein grandioser Film, der einem das Hirn herumreißt, dann zerfetzt und falsch wieder zusammensetzt. Riesige Effekte, gute Schauspieler und Musik, sowie sehr interessante Handlung (wenn auch mit Logikfehlern). Ich kam aus dem Kino und dachte noch zwei Tage später drüber nach. Mittlerweile steht er als DVD hinter mir, demzufolge habe ich ihn inzwischen auch ein zweites Mal gesehen - und die Slow-Motion-Funktion lieben gelernt. Eine Stelle habe ich wirklich fünfmal hin- und hergespult, bis ich sie wirklich begriffen hatte. Nun ja, wie gesagt. Sehr unterhaltsamer und spannender Film. Er räumte allerdings keine der Hauptkategorien ab. Nun, den Oscar fürs Originaldrehbuch hätte ich ihm gegeben: So kranken Scheiß kann man sich eigentlich nicht ausdenken. Der ging an den großen Gewinner des Abends. Doch mit 4 berechtigten Oscars in technischen Disziplinen (Ton, Tonschnitt, Kamera, VFX) zeigt er sehr deutlich, was für ein Film er doch im Grunde ist: Einer zum Gucken und SFX-Genießen.

Alice im Wunderland. Darüber hatte ich berichtet. Supertoller Fantasyfilm. Ganz Tim Burton und Johnny Depp halt. Steht übrigens auch schon im Regal. Die beiden künstlerischen Oscars fürs Szenenbild und Kostüm sind völlig uneinschränkt verdient. Punkt.

The Social Network. Ich bin weder ein Freund von sozialen Netzwerken noch von einfachen Erzählfilmen, bei denen es egal ist, ob ich sie auf Großleinwand sehe oder später im Fernsehen. Social Network fällt in diese Kategorie. Und es war vermutlich nur Langeweile und ein wenig der Drang, sehen zu wollen, wie eine IT-Erfolgsgeschichte für den Mainstream verfilmt werden kann. Nun, die Antwort war Justin Timberlake, ein paar HighSchool-Tussis und jede Menge Zickenkrieg. Ich mochte den Film nicht sonderlich und weiß auch nicht, was die Welt an ihm findet. Zugegebener Maßen lag es vermutlich einfach daran, dass ich mit keinem der Schauspieler irgendwie warm wurde. Doch das ändert nichts an der Tatsache. Letztlich war der groß umjubelte Film auch nicht der große Gewinner. Den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch kann ich nicht einschätzen, ist nicht meine Materie. Er sei ihm kommentarlos gegönnt. Der beste Schnitt ist auch in Ordnung, denke ich - aus dem gleichen Grund. Wie man Schnitte aus technischer Sicht bewertet, weiß ich nicht. Doch über den dritten könnte ich mich maßlos aufregen: Die angeblich beste Filmmusik hatte Hans Zimmers "Inception" und Alexandre Desplats "The King's Speech" als Konkurrenten. Inception ist schon jetzt aus keiner Zimmer-BestOf mehr herauszudenken, und das neben Grandiositäten wie Fluch der Karibik, dem oscarprämierte König der Löwen, King Arthur und Gladiator. Und Desplats Soundtrack lief bis gestern bei mir hoch und runter, allein wegen des sehr einfühlsamen Klavierstücks. Doch The Social Network? Fand ich nicht im Ansatz irgendwie eingängig. Schade, die größte Fehleinschätzung des Abends.

The King's Speech. Der vielgerühmte Gewinner mit 3 der 4 Hauptkategorien (Bester Film, Regie, Hauptdarsteller) war ohne Zweifel "The King's Speech", die Geschichte von dem stotternden König George VI (Colin Firth), und dessen bürgerlichen und sehr unkonventionellen Sprachtherapeuten (Geoffrey Rush). Habe ihn erst letzte Woche gesehen und mochte ihn sehr. Für ein reines Erzählkino hat er mich sehr gut unterhalten. Ich fand ihn keine Sekunde uninteressant oder langatmig. Es wurde eine sehr berührende Geschichte erzählt, mit sehr guten Darstellern. Sogar Helena Bonham-Carter ist mal in einer anderen Rolle als einer Verrückten zu sehen, was lediglich zu Beginn ein wenig komisch wirkt. Beide Nebendarsteller waren nominiert, mussten aber TheFighter weichen. Eine zurückhaltende und doch einprägsame Musik begleitet ihn ständig. Es ist schwer zu beschreiben, aber wirklich sehr zu empfehlen. Ein schlichtweg gelungener Film.

Tron:Legacy. Was habe ich mich auf den Film gefreut. OK, es ist zugegebener Maßen ein absoluter Nerd-Film und es war von vornherein klar, dass der keinen großen Anklang finden würde. Vielen war und ist nicht einmal bewusst, dass er eine Fortsetzung eines 80er-Jahre-Streifens ist. Als Informatiker und Frisbee-Versessenen war es für mich damals quasi ein Muss, ihn zu kaufen. Der erste Film, der mit komplett computeranimierten Szenen aufwarten konnte, die aus Performance-Gründen aus auf komplett schwarzer Leinwand animierten bunten Linien bestand. Entsprechend wurden die Kostüme, was letztlich einen sehr dunklen und spacigen Look ergibt. Der Nachfolger sollte in gleichem Stil gehalten werden, wurde dennoch - ohne den alten Stil wirklich zu verlieren - sehr stark modernisiert. Klar, die Handlung kann man wegschmeißen, aber die Bilder sind grandios. Ein Film zum Gucken und glücklich sein. Dennoch ein bissel Nerdtum brauchte schon noch, um ihn gut zu finden, glaub ich. Schon lange vor Kinostart rankten sich Legenden um den tollen Soundtrack von Daft Punk. Und wirklich, im Film kommen die Elektrosounds sehr interessant und passend rüber. Es war mal was ganz anderes. Eine Nominierung hätte ich den beiden definitiv gegönnt. Stattdessen wurde der Film lediglich in der für mich uninteressantesten und unwichtigsten Kategorie nominiert und nicht ausgezeichnet. Den einen Oscar, und wenns nur der für den Tonschnitt wär, hätte ich dem Film wirklich gegönnt. Ein weiterer Wermutstropfen war, dass es den Film nirgends in Berlin noch in 2D gab. Die Zeit für die sauteuren Nur-noch-3D-Filme scheint zu kommen. Schade, werde ich wohl doch wieder weniger vor der Leinwand sitzen als gewohnt. 3D mag ich nicht, gibt Kopfschmerzen und ist teurer als die DVD.

True Grit. Ich mag Jeff Bridges. Und wie sehr konnte ich mir den "Dude" als besoffenen Marshall im Wilden Westen vorstellen. Also ab ins Kino. Am meisten hat mich jedoch nicht er, sondern die 14-jährige Schauspielerin Hailee Steinfeld beeindruckt. Sie kommt so unglaublich selbstbewusst rüber, so unglaublich routiniert und abgebrüht. Ich meine, ja, das war ihre Rolle, aber dennoch hat sie sie mit Bravour gespielt. Wirklich toll. Sie ist für mich definitiv deutlich mehr als bloß die Nebendarstellerin, für deren Oscar sie nominiert war. Gegönnt hätte ich ihn dem Mädel jedenfalls. Ansonsten? Sehr unterhaltsamer Film mit einigen amüsanten Stellen zum Kichern. Ich fand ihn keine Spur düster, entsprach also für mich nicht den Kritiken. Es war halt ein modernerer Western mit netter Handlung. Guter Kinofilm, aber nichts wirklich Besonderes. Er bekam auch keinen Oscar, was für mich (abgesehen von dem schon angesprochenen für das Mädel) in Ordnung geht.

Black Swan. Der Soundtrack läuft gerade zum geschätzten 10. Mal in meiner Dauerschleife. Was für ein Film. Wie eingangs schon erwähnt, wollte ich ihn mir eigentlich nicht anschauen. Tanzfilme sind ätzend. Und wirklich andere positive Kritiken habe ich nicht gelesen oder gehört. Bis auf eine einzige, die von Psychothriller sprach. Zudem mag ich Natalie Portman sehr. Ich kann mich an keine Rolle erinnern, in der sie wirklich schlecht war. Und sie ist umwerfend hübsch. Nun gut, um aus meinem Kämmerlein herauszukommen, und die Oscar-Filmreihe einigermaßen zu komplettieren, bin ich heute noch einmal ausgerückt, um mich in einen Kinosessel zu fläzen... Und ich sah einen grandiosen Film. Nein, ich glaube, ich sah, nein, erlebte einen perfekten Film. Tschaikowski bis einem die Ohren abfallen und eine Düsternis, dass es eine Wonne war. Schweiß lief mir den Rücken runter, ich zitterte. Die Spannung, wo auch immer sie wirklich herkam, war nahezu unerträglich. Was für ein Film. Portman in einer Glanzrolle. Zerbrechlich und schön, aber so wandlungsfähig, wie nur irgend möglich. Wie der Kampf zwischen Gut und Böse dargestellt wurde, war unglaublich. Ein innerer Kampf, der sich bis in die dunkelsten Ecke der Psyche von Hauptcharakter Nina zieht. Wenn ein Oscar wirklich verdient war, dann dieser. Ein einfaches und schlichtes Set wirkt verbunden mit einer dramatischen Kameraführung, unvorhersehbaren Schnitten und einfachen Sounds plötzlich beengend und nicht im Ansatz langweilig. Und dazu immer wieder die bekannten Schwanensee-Melodien. Immer und immer wieder. Doch deutlich variiert, mal düster wie die schwarze Seele, mal schnell und spielerisch wie die Füße der Tänzer. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Letztlich ist es ein Tanzfilm, jedoch völlig anders. Erschreckender. Düsterer. Ungewisser.

The Fighter. Er läuft noch nicht, werde ich auch nicht sehen. Ich mag Boxen nicht. Und Boxfilme auch nicht. Trotz wirklich toller männlicher Besetzung. Während die Hauptrolle von Mark Wahlberg nicht einmal nominiert war, räumte Christian Bale als Nebendarsteller ab. Ob es diesmal verdient war oder nicht, weiß ich nicht. Doch insgesamt gönne ich ihn den Oscar sehr. Er hat in der Vergangenheit wirklich tolle Rollen gespielt; wurde Zeit, dass er auch mal an die Reihe kam. Die ebenfalls prämierte Nebendarstellering Melissa Leo kenne ich nicht, kann ich nichts zu sagen.

127 Hours. Läuft ebenfalls noch nicht. Und auch hier ist fraglich, ob mich der wirklich interessiert. Wird wenn dann so ein Langeweile-Ding. Wobei man allerdings sehen muss, dass mindestens das nächste halbe Jahr Dauerkino angesagt ist, bei all den guten Ankündigungen. Also wird dieser wohl eher nix. 6 Nominierungen, kein Gewinn. Aber man muss halt immer die hochkarätige Konkurrenz dagegen sehen. Sagt also noch nicht viel aus.

Toy Story 3. Naja gut, den habe ich nur der Vollständigkeit halber genannt. Ausgezeichnet als bester Animationsfilm. Nun gut, keine Ahnung. Ich war nie ein Fan von Toy Story, habe sogar vergessen, ob ich den zweiten je gesehen habe, und wenn dann war er noch schlechter als der erste. Hatte ich mir also geklemmt.

Fehlen jetzt noch die Oscars für die Kurz- und Dokumentarfilme, aber da enthalte ich mich mal meiner Stimme.

Hab ich eigentlich schon erwähnt, wie unglaublich beeindrucken Black Swan war? Ich überlege ernsthaft, mir den noch ein weiteres Mal anzuschauen. Also wer Lust hat, gerne melden. Tschaikowski sollte man jedoch nicht unbedingt hassen. Wow, was ein krasser Film! Meine Fresse! Ich werde heute Nacht von träumen, garantiert. Ich bin immernoch total hin und weg...

Listening To:
Clint Mansell - Black Swan
Pjotr Iljitsch Tschaikowski - Schwanensee

2 Kommentare:

Verrain hat gesagt…

Boah, das ist ja mal ein Mords-Post :D. Hab gerad die Hälfte hinter mir (es ist gerad 00:16 Uhr) und hebe mir den Rest für Morgen auf. Aber so viel sei gesagt:

Inception war für mich eindeutig der beste Film des Jahres. Auch wenn man schon in der Mitte die Szene vom Anfang kapiert hatte und somit das Ende quasi unterwegs schon verstanden hat (was eigentlich ein gutes Beispiel war, wie man eine Idee einpflanzen kann :D ), war die Handlung wirklich bis zur letzten Sekunde Atemberaubend. Ich war zur regionalen Premiere und als am Ende der Kreisel ausgeblendet wurde ohne, dass man wusste, was mit ihm geschieht, hat einfach mal das ganze Kino gelacht und applaudiert.

The Social Network hab ich mir nie angetan und Alice im Wunderland, war mir dann doch zu strange, obwohl ich mittlerweile überlege, ob das nicht ein Defizit war, dass mal nachgeholt werden müsste ^^.

Und was den Oscar für die beste Film Musik geht, so hätte der Hundertpro an Hans Zimmer gehen müssen. Der Inception Soundtrack ist zwar ziemlich ruhig, aber passt so genial zum Ende des Films, wenn man gerad einfach nur geflashed von der Handlung ist. Ich krieg heut noch 'ne Gänsehaut, wenn ich mir "Drunk up me Hearties" hör.

So den Rest les ich mir morgen durch ;)

Phosphor hat gesagt…

Black Swan ist also gut? Hm... würd gerne wieder ins Kino.