Mittwoch, 27. April 2011

Sicherheitsstaat? Staatssicherheit?

Mal wieder was zum Nachdenken. Im Prinzip keine neuen Informationen, aber elementarteile fasst die aktuelle Lage in Deutschland ziemlich gut zusammen:

Es ist kein Problem eine Internetzensur-Infrastrucktur aufzubauen, denn es geht ja um die Kinder; es ist in Ordnung wenn mein Handy Positionsdaten speichert und verschickt, denn was könnte Apple schon damit anfangen; es ist ok wenn Google mein Nutzungsverhalten analysiert, denn es geht ja um Werbung; es ist richtig wenn entführte Passagierflugzeuge abgeschossen werden, wenn man damit einen Anschlag verhindern kann; es ist richtig Terrorverdächtige zu foltern, wenn man dadurch an die Hintermänner kommen kann…

Diese Reihe ließe sich unendlich fortsetzen und nach diesem Muster ist es auch völlig in Ordnung wenn jeder von uns eine elektronische Fußfessel trägt, denn potentiell sind wir alle zu Straftaten fähig. Wir begehen ja auch ständig Verbrechen oder machen uns Vergehen schuldig. Wir fahren schwarz, wir gehen bei rot über die Straße, wir fahren zu schnell, wir brennen Freunden eine Musik-CD, wir hinterziehen Steuern, zahlen keine GEZ, fahren betrunken Auto, bedienen uns im Supermarkt an den Weintrauben, rauchen auf Zugtoiletten, wir stehlen, rauben, morden, nehmen Drogen, arbeiten schwarz, lassen schwarz arbeiten, wir lügen und betrügen.

[...]

Wenn ich jeden Falschparker anzeige, jedesmal wenn ein “ausländisch aussehender” Mensch nachts auf der Straße geht die Polizei rufe, jede gestohlene Weintraube dem Ladendetektiv melde ist die Welt um mich herum sicherer und ich ein unausstehliches Arschloch geworden. Eine 100% sichere Gesellschaft wäre nicht mehr lebenswert, denn sie wäre eine Ansammlung feiger Denunzianten.

Gesetze verhindern auch keine Straftaten. Vergesst es. Gesetze definieren Handlungen für die sich eine Gruppe an einer Einzelperson nach Begehung der Handlung rächen darf. Der Einzelhandel rächt sich am Ladendieb, die Bank am Räuber, der Fahrradfahrer am Falschparker, der Betrogene am Betrüger. Gesetze sind in ihrem Wesen nicht präventiv, auch wenn die Angst vor Rache den ein oder anderen abschrecken mag.

[...]

Freiheit ist aber die Abwesenheit von Kontrolle und Zwang. Es geht für den einzelnen in seiner Freiheit also nicht um Gesetze und deren Erfüllung, sondern um Kontrolle, Zwang und das Gefühl kontrolliert zu werden.

[...]

Der Ausbau von Kontrolle und Überwachung entsteht ja bezeichnenderweise nicht aus einer wachsenden Unsicherheit, im Gegenteil, sondern aus einem Versprechen von Sicherheit. Bei uns finden sowenige Verbrechen statt, dass wir sie medial sogar importieren müssen. Amoklauf in den USA, Terroranschlag in Afrika, Mord in Frankreich, Entführung in Russland, Steinigung im Iran…

Die Antwort kann also nicht sein:” Ihr dürft alles über mich wissen, denn ich werde nichts böses tun!”, die Ansage an Politik und gesetzgebende Instanzen kann nicht sein: “Ihr werdet schon wissen was ihr tut!”. Im Zweifelsfall sind es nämlich genau diese Personen, die eine unverrückbare Moral vor sich hertragen, denen ein gesundes Misstrauen entgegengebracht werden sollte. Was schadet der Gesellschaft mehr: 2 mitgenommene Maultaschen oder schwarze Parteikassen? Das Verheimlichen von 50 geschenkten Euro bei einem Hartz-IV-Empfänger oder Millionen in die Schweiz transferierte Schwarzgelder? Hartz-IV-Empfänger werden härter und öfter kontrolliert als wohlhabende Unternehmer, was sehr bildlich darstellt wozu Gesetze und Kontrolle eingesetzt werden. Drogenbesitz wird bei einem schwarzen Unterschichtsangehörigen eher festgestellt und härter bestraft werden als bei einem weißen Oberklasseangehörigen. Kindeswohlgefährdung wird eher einer alleinerziehenden Arbeitslosen unterstellt als einer erfolgreichen Bankerin.

[elementarteile.de, 22.04.2011]


Keine Kommentare: