Bin gestern auf der Ärzte-Party gewesen. War eine herbe Enttäuschung. Die Musik war gut, aber die Leute waren schlimm.
Tauchen doch tatsächlich plötzlich 6 oder 7 Glatzen auf - also, um Missverständnissen vorzubeugen, die Art von Glatzen mit Springerstiefeln und recht verdrehten politischen Anschauungen. Zwei mit Freundin - beide Marke blond, kurzhaarig bis auf einen langen Pony. Die Art von Menschen, die mir Dolche in die Augen treiben. Wie, um alles in der Welt, können solche Gestalten auf einer DÄ-Party aufkreuzen? Und das in einem Berliner Bezirk, der bekannt ist für seine linke Szene und in einem Club, bei dem an der Tür einige Nazi-feindliche Sprüche ala "Naziklamotten hier bitte ausziehen" stehen. Als ich hinein ging, amüsierte ich mich noch darüber; das genau an diesem Ort trotz allem so ein paar beschissene Faschos aufkreuzen, war wie ein Faustschlag. Um das klarzustellen: Ich mache den Türstehern keinen Vorwurf. Dass sie die Leute reingelassen haben, ist ok. Andererseits wäre es in meinen Augen sogar falsch gewesen: Sie hätten sich auf das Niveau genau dieser Leute herab begeben und Menschen aufgrund ihres Aussehens benachteiligt.Was sie wollten, war von Anfang an klar: Stören der Party. Sich mitten auf die Tanzfläche gestellt, so dass man sich in einem Großteil des Raumes nicht mehr frei bewegen konnte. Später artete es in einem Wir-sind-stärker-als-ihr-Getue aus, indem sie sich quer durch den Raum gewalzt hatten und Schneisen schlugen. Das war kein Pogo, das war einfach nur Stressmacherei.
Das wirklich Heftigste war jedoch, dass die anderen Leute die Glatzen gewähren ließen. Keiner rührte einen Finger. Anfangs dachte man noch, dass die Faschos einfach ignoriert wurden und es auch funktionierte. Aber nicht lange. Die Kunden stressten weiter. Und wieder tat keiner was. Als dann - wie es sich für eine Ärzteparty gehört - "Ein Sommer nur für mich" und "Schrei nach Liebe" gespielt wurde, schrien alle aus Leibeskräften den Text mit. Man sollte meinen, dass das ein Anstoß gewesen sein sollte. Dass sich die Leute endlich einfach mal zusammenschließen und die Nazis einfach aus dem Club werfen würden. Nichts war. Gar nichts!
Auf DÄ-Konzerten werden in dem Fall "Nazis raus!"-Rufe laut und Farin pflegt dann immer zu sagen: "Hey, es ist leicht in einer Gruppe von 10000 Antifaschisten 'Nazis raus' zu brüllen, aber bitte sagt das nicht einfach nur so, sondern geigt dem nächsten Fascho, den ihr trefft auch eure Meinung!" Jubel. Immer. Man meint in solchen Momenten, dass diese Aussage was gebracht hat.
Wie man gestern gesehen hat, tat es das nicht. Im Gegenteil. Der Höhepunkt war, als die Faschos am Ende mit einigen Leuten zusammen feierten und einige Leute mit ihnen Arm in Arm sprangen und tanzen. Was zur Hölle ging in ihnen vor - Leute, die vorhin noch inbrüstig gegen Nazis sangen. Mir wurde schlecht. Ich hatte schlechte Laune und bin gegangen. Scheiß Abend.
Ein Lichtblick gab es: Ich war mit meinem Freund Torsten da. Bei einem Pogo landete so eine Glatze auf dem Boden. Reflexartig wollte er den Gefallenen hochheben, wie das in einem richtig sauberen Pogo üblich ist. Als er jedoch merkte - bereits halb gebückt - wer vor ihm liegt, ist er schnell mal eben einen Schritt zur Seite gegangen und hatte ihn liegenlassen. Hat leider keiner mitbekommen. Dem Fascho wurde sofort von zwei anderen Typen hochgeholfen. Aber trotzdem: Danke Torsten, für ein klares Zeichen.
Für mehr Zeichen dieser Art! Leute, tut endlich was gegen die Seuche! Hört auf, nur leere Reden zu schwingen! Handelt auch! Bitte keine Gewalt, aber steht geschlossen gegen Nazis. Zeigt ihnen: "Hier kommt ihr nicht weiter, ihr seid hier nicht erwünscht."
Frohe Weihnachten.Listening To:
System Of A Down - Toxicity